24.11.2018 Die Welt: Schreckgespenst Zinswende?

Das Schreckgespenst Zinswende

Deutschland erlebte im Oktober ein überraschendes Comeback der Inflation. Schreckgespenst Zinswende. Nach Schätzung des Statistischen Bundesamtes lagen die Verbraucherpreise 2,5 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Treiber der Entwicklung sind vor allem steigende Öl- und Lebensmittelpreise. Experten rechnen damit, dass die Inflation in der gesamten Eurozone auf über zwei Prozent klettern wird. Das setzt auch die EZB unter Druck, die Zinsen eventuell schneller als geplant anzuheben. Das Schreckgespenst Zinswende hätte direkte Konsequenzen für den Immobilienmarkt, da die Kombination aus billigem Geld und fehlenden Anlagealternativen in den letzten Jahren der Haupt-Preistreiber war.

Preiskorrektur ist eigentlich unausweichlich

Die schlechte Nachricht zuerst: Nachdem es mit den Immobilienpreisen seit inzwischen zehn Jahren aufwärts geht und die Big 7 in manchen Lagen sogar für professionelle Investoren zu teuer werden, ist eine Preiskorrektur eigentlich unausweichlich. Die Zinswende würde jedoch keinen Wertverfall über Nacht auslösen, sondern eine Phase langsamer, kontinuierlicher Preisrückgänge einläuten, die sich über mehrere Monate oder sogar Jahre ziehen könnte. Die verschiedenen Objektklassen werden sich dabei unterschiedlich entwickeln: Für Eigentumswohnungen sind beispielsweise höhere Preisabschläge zu erwarten als für Zinshäuser. Grundsätzlich sind Preiskorrekturen von bis zu 30 Prozent möglich. Das wird besonders hart für Eigentümer, die ihre Immobilie noch nicht abbezahlt haben, aber durch unvorhergesehene Ereignisse wie Scheidungen oder Todesfälle die Finanzierung nicht mehr stemmen können und zum Verkauf gezwungen sind. Am stärksten aber wird es Bauträger und Projektentwickler treffen, die sich auf höhere Baukosten, Abschläge beim Verkauf und längere Vermarktungszeiträume einstellen müssen.

Kreis der Betroffenen bleibt überschaubar

Die gute Nachricht: Der Kreis der Betroffenen wird unterm Strich überschaubar bleiben. Denn die Mehrheit der Deutschen setzt bei der Finanzierung ihrer Immobilien auf langfristige Zinsbindungen von 15 oder sogar 20 Jahren bei hohen Tilgungsraten und wird sich ihre Immobilie auch bei steigendem Zinsniveau leisten können. Zinshausbesitzer haben zudem einen langfristigen Anlagehorizont und können Preiskorrekturen ohne Schwierigkeiten aussitzen und in Ruhe einen günstigeren Exit-Zeitpunkt abwarten. Die meisten Immobilieneigentümer müssen also keine Furcht vor dem Gespenst der Zinswende haben.

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