Schildbürgerstreich Lärmschutz
Letzte Woche titelte das Hamburger Abendblatt groß, dass es endlich ein Förderprogramm zur Verbesserung des Schallschutzes an lauten Straßen gäbe. In sehr ausführlichen Tabellen und Texten wurden die förderfähigen Maßnahmen und die betroffenen Straßen für die Lärmschutzförderung dargestellt. Angekündigt waren Fördersummen bis zu 75% des Investments. Ein Schildbürgerstreich.
Der Artikel beruht auf einer Veröffentlichung des Senats. Irgendwie scheinen die armen Redakteure aber hinters Licht geführt worden zu sein. Wir verwalten in diesen Lagen einige Objekte und die Idee einer Verbesserung des Lärmschutzes begrüßen wir und unsere Mandanten. Also haben wir uns schnell die Förderrichtlinie im Internet besorgt und mal genau nachgelesen, denn wir wollten die Ersten mit den Anträgen sein.
Der Teufel steckt im Detail
Aber beim Lesen der Förderrichtlinien stehen einem die Haare zu Berge. Wer die Förderung in Anspruch nimmt, darf dafür erhebliche Bindungen eingehen, die so weitgehend sind, dass kein vernünftiger Grundeigentümer eines Zinshauses und mit einer halbwegs intakten Immobilie darauf eingehen wird.
Die Mieten dürfen nicht über 7 Euro je Quadratmeter betragen. Witzlos, wenn der Mittelwert Mietenspiegel schon bei 9,40 Euro liegt. Es dürfen Mieterhöhungen erfolgen, aber nur bis zu den vorgenannten 7 Euro. Also gar keine, wenn man schon den Mittelwert bekommt. Ob man dann überhaupt eine Förderung bekommt ist schon fraglich. Natürlich muss man für zehn Jahre auf das Recht zur Umwandlung in Eigentumswohnungen verzichten, die Mieter über die Bindung informieren, mit diesen verbindliche Vereinbarungen treffen und selbstredend alle Verpflichtungen im Verkaufsfall übertragen.
Wir sind nicht gegen Bindungen, wenn öffentliche Mittel „verschenkt“ werden. Das muss sein, aber mal ganz ehrlich: Welcher vermietende Grundeigentümer eines Zinshauses macht denn sowas? Das lohnt sich doch nur für kaputte Häuser mit marktunüblich sehr niedrigen Mieten, wenn man so einen Instandhaltungsstau aufholen möchte (letzteres ist übrigens untersagt in den Richtlinien). Es profitieren also die Grundeigentümer, die ihren Bestand schlecht gepflegt haben. Die anderen gucken in die bekannte Röhre.
Ich befürchte, dass wenn diese Richtlinien so beibehalten werden, wohl nur recht wenig Mittel abgefordert werden. Wir jedenfalls werden – leider – keine Anträge stellen.
Das ist ärgerlich für die Bewohner. Ärgerlich für die Grundeigentümer. Ärgerlich ist aber auch, dass der Senat mit großem PR-Getöse eine solche Maßnahme als politischen Erfolg und Meilenstein verkündet und dann im Kleingedruckten alles konterkariert. Und keiner merkt es? Das kann doch eigentlich alles nicht sein. Was hängen bleibt ist doch, dass es Geld gibt und die „verantwortungslosen Grundeigentümer“ davon keinen Gebrauch machen (werden) oder dass sich verantwortungslose Marktakteure mit Steuergeldern sanieren. Über das warum wird dann vermutlich länger spekuliert werden, weil immer noch niemand die Seite acht der zwölfseitigen kleingedruckten Broschüre gelesen hat.
Auch dies ist mal wieder ein Fall einer enervierend verantwortungslosen „PR-Erfolge-Teil-Kommunikation“. Ähnlich wie bei den blauen Tonnen die ja angeblich kostenlos sind. Stimmt, aber nur für Einfamilienhäuser und Mehrfamilienhäuser, wo Mieter die Tonnen selber schleppen (Achtung Versicherungsfalle…). Am Ende kostet die Tonne eben doch Geld. Nur weil in den Broschüren immer „kostenlos“ steht, müssen wir ständig rechtfertigen, warum wir dafür eben doch Gebühren zahlen. Eine derartige Kommunikation in den Medien und Handzetteln der Behörden, transportiert gefährliches Halbwissen und trägt nur dazu bei Vorurteile zu verfestigen.
Das Beschäftigen mit Inhalten ist eben aus der Mode gekommen. Nachrichten müssen einfach und simpel sein. Ganz egal wie Komplex der Sachverhalt ist. Und lesen tut ja eh keiner mehr. Ich muss auch noch mal schnell was twittern…
Oliver Moll