Flucht in die Provinz?

Die Preise für Immobilien steigen weiter und besonders in den deutschen Metropolen entsprechen die geforderten Summen nicht mehr den tatsächlichen Werten der Objekte. Daher spielt mancher Anleger mit dem Gedanken, beim Immobilienkauf auf kleinere Städte und ländlichere Gebiete in die Provinz auszuweichen. Doch welche Region sich für welchen Käufer eignet, ist nicht nur vom Preis abhängig.

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Auch 2016 kannten die Preise auf dem deutschen Immobilienmarkt nur eine Richtung – aufwärts. Laut vdp-Immobilienpreisindex wurden Wohnimmobilien im Schnitt um 6,1 Prozent teurer. Der starke Anstieg ist vor allem auf die Preisentwicklung von klassischen Anlageobjekten, wie Eigentumswohnungen und Mehrfamilienhäusern, zurückzuführen. Der Vergleich des Grundstücksmarktberichts des Gutachterausschuss Hamburg von 2015 auf 2016 zeigt zum Beispiel für ein Mehrfamilienhaus mit Wohnanteil kleiner 50 Prozent eine Steigerung des Durchschnittspreises von 2.180.000 auf 2.843.000 Euro, also ein Plus von rund 30 Prozent. Im Vergleich von 2016 zu 2017 ist ein Anstieg von „nur“ noch 10 Prozent realistisch, das ist im langfristigen Vergleich aber immer noch viel. Inzwischen ist es keine Seltenheit mehr, dass Zinshäuser in Hamburg zum 25- bis 30-Fachen der Nettojahresmiete angeboten und tatsächlich verkauft werden: Ein historisches Allzeithoch.

Die wesentlichsten Motive von privaten und semi-professionellen Anlegern für den Erwerb eines Zinshauses sind die Unsicherheit hinsichtlich der Stabilität der Börsen, niedrige Zinsen für Investments, Negativzinsen auf hohe Guthaben und die Angst vor Inflation. Die ohnehin extreme Nachfragesituation wird von heimischen und ausländischen institutionellen Investoren verschärft, die ebenfalls Immobilien als Ausweg aus der Zinsfalle und den deutschen Markt als „sicheren Hafen“ in einer von politischen Unsicherheiten geprägten Welt für sich entdeckt haben.

Folge dieser Entwicklungen sind deutliche Überbewertungen, vor allem in den deutschen Großstädten wie den sogenannten Big 7: Hamburg, München, Frankfurt, Köln, Stuttgart, Düsseldorf und Berlin. Immobilienpreise in begehrten Wohngegenden können dort zwischen 10 und 20 Prozent über den Werten liegen, die fundamental zu rechtfertigen sind und die Objekte sind zudem immer schwieriger zu finanzieren. Viele Anleger spielen daher mit dem Gedanken, ihren Anlageradius zu erweitern und statt in den Metropolen lieber in B- oder sogar C-Lagen zu investieren, wo Zinshäuser und Eigentumswohnungen noch vergleichsweise günstig sind.

Alternativen abseits der Big 7

Wer in Objekte weiter außerhalb investiert, macht jedoch nicht automatisch ein Schnäppchen. Auch hier sollte jedem Kauf eine genaue Markt- und Standortanalyse vorausgehen. In den „gehypten“ süddeutschen Studentenstädten ist das Potenzial beispielsweise nicht nur ausgereizt, mehrere Indices zeigen sogar, dass dort erhebliche Blasengefahr besteht. Auch um das Ruhrgebiet sollten Anleger lieber einen Bogen machen. Die strukturellen Leerstände sind in dieser Region schlicht zu groß, als dass sie ein attraktiver Standort wäre. Von Städten rund um den Harz ist ebenfalls abzuraten, da es dort keine vernünftige industrielle Struktur aber viele, eher schlecht bezahlte Saisonarbeitsplätze im Tourismus gibt. Aufgrund der hohen Leerstände lohnt es sich dort für die besserverdienenden, beziehungsweise fest Angestellten im tertiären Sektor, eher zu kaufen oder zu bauen als zu mieten. Die Nachfrage nach Mietwohnungen ist gering und die Bonität der Mieter relativ schlecht, da die guten Bonitäten eher bauen oder ins Eigentum ziehen.

Generell empfehlen sich Städte, die die Grundvoraussetzungen für einen stabilen Immobilienmarkt und solvente Mieter erfüllen: Geringe Leerstände, eine gute Infrastruktur, arbeitsplatzschaffende Industrie, dazu eine Universität oder Hochschule sowie ein gut entwickelter tertiärer Sektor. In Norddeutschland bieten zum Beispiel Immobilien in Lübeck, Kiel oder Lüneburg noch Chancen als Geldanlage. Im Westen lohnt ein Blick auf die westfälischen Kleinstädte, während im Osten besonders Jena und Erfurt vielversprechend sind.

Erst-Anleger liebäugeln zwar oft mit Dresden und Leipzig, die beiden Standorte sind aber gute Beispiele dafür, dass vielen auswärtigen Käufern die Erfahrung und das Know-How fehlen, Preise richtig einzuschätzen. So sind ortsfremde Anleger bereit, in Leipzig deutlich mehr zu investieren als Profis oder Einheimische, die sich im Markt auskennen. 3.000 Euro pro Quadratmeter für eine sanierte Altbauwohnung zahlen laut Bericht des Gutachterausschusses fast nur Auswärtige. Der Bestandsmarkt wiederum wird von Leipzigern dominiert, die deutlich weniger zahlen. Im Wiederverkauf bringt besagte Altbauwohnung dann nur noch knapp über 1.000 Euro pro Quadratmeter. Dies ist einer der faszinierendsten Grundstücksmarktberichte überhaupt. Als Vorbereitung auf einen Kauf lohnt er sich sehr.

Risiko Zinswende

Eine Immobilieninvestition steht und fällt mit dem Einkaufspreis und einer realistischen Kalkulation bezüglich des Wiederverkaufswerts. So einfach und doch unendlich schwer, angesichts der staatlich gewollten Datenschutz-Intransparenz des deutschen Immobilienmarktes. Bei den Verkaufsrenditen wird bei Privatanlegern immer ein Zeitpunkt zehn Jahre nach Erwerb betrachtet. Bisher hatte man in den Metropolen die Chance, Mieten und Substanz des Objektes in diesem Zeitraum durch gutes Management zu verbessern und so den Verkaufspreis der Immobilie im besten Fall zwischen 100 und 200 Prozent zu steigern. Wer heute allerdings schon zum 30-Fachen einkauft, wird kaum zu einem noch höheren Faktor verkaufen können.

Noch ein Aspekt, der in diesem Zusammenhang im Hinterkopf behalten werden sollte: Steigende Zinsen. Zurzeit gibt es zwar keine Anzeichen, dass die EZB ihre Politik des billigen Geldes beenden wird. Doch bei Immobilien handelt es sich um mittel- bis langfristige Anlageobjekte und die entscheidende Frage ist: Was passiert im Falle einer Zinswende und einer damit verbundenen Nachfragesättigung? Das Risiko ist heute nur schwer abzuschätzen. Aber sollten die Zinsen irgendwann wieder auf drei oder vier Prozent steigen, werden Zinshäuser wohl um mehr als 20 Prozent nachgeben. Bei vermieteten Eigentumswohnungen könnte der Preisverfall sogar noch deutlich höher ausfallen. Besonders hart wird es die Top-Standorte treffen. In seinem Frühjahrsgutachten 2017 warnt der Rat der Immobilienweisen, dass in Berlin, Hamburg und Frankfurt Preiskorrekturen um ein Viertel bis zu einem Drittel möglich sind.

Renditekiller Mietpreisbremse

Neben der Verkaufsrendite ist die Mietrendite ganz entscheidend bei der Standort- und Objektauswahl. Dabei muss zwischen Brutto- und Nettorendite unterschieden werden. Die laufenden Bruttorenditen in den B- und C-Lagen liegen um 1 bis 2,5 Prozent höher als in den Metropolen. Die Tendenz ist allerdings bereits abnehmend und zudem kann dieser Vorteil schnell durch höhere Leerstandskosten und Kosten für Mieterbindungsmaßnahmen aufgezehrt werden. Bei der Nettomietrendite werden auch die Anschaffungskosten und nicht-umlegbaren Bewirtschaftungskosten berücksichtigt, oft bleiben danach nicht mehr als 1,5 bis 2 Prozent übrig. Wird zum 40-Fachen oder teurer eingekauft, wird die Nettorendite – je nach Höhe der Bewirtschaftungskosten – sogar negativ.

An den meisten Standorten gibt es aufgrund der Mietpreisbremse kaum noch Möglichkeiten, die Mietrendite ohne aktives Management zu verbessern. Davon sind nicht nur Metropolen, sondern auch immer mehr B-Lagen betroffen. Anleger könnten die Rendite steigern, indem sie etwa ungenutzte Flächen, wie Dachböden, ausbauen und vermieten oder das Zinshaus so umfassend sanieren, dass die Mietpreisbremse nicht länger greift.

Käufer müssen wissen, was sie können

Maßnahmen dieser Art sind allerdings nur für Profis eine Option. Denn Renovieren und Modernisieren ist nichts, was man so nebenbei erledigt. Immobilien sind „Hands-On“-Investitionen. Eigentümer benötigen ein Netzwerk von zuverlässigen Handwerkern und müssen sich informieren, was gerade vor Ort los ist. Zur Not müssen sie regelmäßig dort sein und kontrollieren. Das kostet Zeit und braucht Erfahrung. Anfänger sind gut beraten, wenn sie weniger auf das Potenzial einer Immobilie, sondern auf eine gute Substanz achten, die zumindest in den ersten drei Jahren keine umfassenden Investitionen notwendig macht. Übersteigen diese nämlich 15 Prozent des durch das Finanzamt festgestellten Gebäudewertes (in der Regel maximal rund 60 Prozent des Kaufpreises in Metropolen), gelten sie als anschaffungsnahe Herstellungskosten. Das hätte für den Käufer negative steuerliche Konsequenzen, da diese Kosten dann nur noch mit der normalen Abschreibung des Gebäudes, also zwei statt 100 Prozent, abgesetzt werden können.

Es gibt in der Region keine Mietpreisbremse und die Mieten sind trotzdem auffallend niedrig? Dann kann es sich durchaus um eine interessante Immobilie handeln – aber nur für erfahrene Mietrechtler. Denn meist gibt es handfeste Gründe, warum Mieter weniger zahlen, als im Markt verlangt wird. Der Versuch, eine Mieterhöhung durchzusetzen, kann dann einige juristische Fallstricke bereithalten.

Zusammenfassend gilt: Die günstigste Alternative ist nicht für jeden Käufer unbedingt die bessere. Immobilien-Anfänger, die vor allem am Vermögenserhalt interessiert sind, sollten sich nicht weiter als bis in sehr gute B-Lagen wagen. Ferner sollten sie nicht teurer als zum 25-Fachen einkaufen und darauf achten, dass die Mieten auf Marktniveau sind und das Objekt eine vernünftige Substanz aufweist. Das kostet zwar Rendite, schont langfristig aber Nerven und Geldbeutel. Profis hingegen suchen Immobilien, die Potenzial bieten. Solche Chancen sind zwar immer auch mit Risiko verbunden, aber wer das Wissen hat, Mietverträge zu optimieren, Gebäude zu renovieren, Häuser in Wohneigentum aufzuteilen, neue Bauflächen zu erschließen oder sogar alles gleichzeitig zu tun, kann außerhalb der Top-Standorte noch vielversprechende Objekte zu günstigen Preisen finden.