Schöne Bescherung: Wirrer BGH? Schönheitsreparaturen und Wohnfläche

Schöne Bescherung: Wirrer BGH?

In letzter Zeit sorgt der für das Wohnungsmietrecht zuständige VIII. Senat des BGH für Furore in der Immobilienbranche. Er definiert seit Jahrzehnten geübte Praxis neu und wirft stehende Rechtsprechung „mir nichts, dir nichts“ über Bord. „Was ist da los?“, fragt sich der Immobilienprofi.

Um es vorweg zu nehmen: Der BGH ist nicht wirr. Ganz im Gegenteil; auf Einzelfallebene betrachtet, sind seine Urteile für mich sogar sehr nachvollziehbar. Aber richtig ist, dass damit bestehende Rechtsprechung, für den Laien quasi im Handstreich, geändert wird. Dies liegt schlicht an der neuen Vorsitzenden der Kammer: Frau Milger ist eine überzeugte Anhängerin der „Einzelfallentscheidung“ und das birgt Probleme für die Praxis, wenn man einem bundesweit Standards setzendem Gericht vorsitzt. Oder anders: Es fehlt der Überblick für die praktischen Folgen juristisch richtiger Entscheidungen oder noch einfacher: „Schöne Grüße aus dem Elfenbeinturm“. Wie komme ich zu meiner Einschätzung? Ich mache es an zwei Entscheidungen plastisch:

Beispiel 1: Unwirksamkeit von Schönheitsreparaturklauseln

Im zu entscheidenden Fall hatte ein Berliner Vermieter einer Vierzimmerwohnung drei Zimmer unrenoviert an seinen Mieter übergeben. Um diesen Nachteil auszugleichen, bekam der Mieter eine halbe Monatsmiete Nachlass. Dem Praktiker drängt sich die Unausgeglichenheit geradezu auf. Selbst in Berlin ist es vermutlich nicht möglich, drei Zimmer für vermutlich rund 500 € fachgerecht zu streichen. Wahrscheinlich war die entscheidungserhebliche Miete zur Zeit des Vertragsabschlusses sogar noch niedriger. Und natürlich ist es dann vom Vermieter schon dreist, sich auf so eine Vereinbarung zu stützen und die gesamte Renovierung der Wohnung nach Auszug zu verlangen. Also keine Überraschung, dass der BGH die Entscheidung der Instanz-Gerichte kassierte. Aber welche Folgen hat es jetzt für die gesamte Branche?

Konkret: Wir bekommen Wohnungen in einem Zustand zurück, der logischerweise abgenutzt ist, denn Mieter renovieren ja nicht, sondern beheben nur die Spuren übermäßiger Abnutzung. Es ist also juristisch logisch, dass zwischen dem Zustand bei Rücknahme und dem Begriff „renoviert bei Übergabe“ durchaus eine Lücke klafft. Nur was ist die praktische Folge? Derjenige, der die Schönheitsreparaturen formularvertraglich auf den Mieter abwälzen möchte, muss in jedem Fall renovieren. Das schafft in Zeiten von Mietpreisbremse und abgesenkter Kappungsgrenzen aber wiederum wirtschaftliche Probleme, die direkt auf die Rendite durchschlagen. Die Folge: Investieren in Wohnungsvermietung wird noch uninteressanter, als es nach den überzogenen neuen gesetzlichen Regelungen ohnehin schon ist. Der BGH verschärft damit die Probleme auf dem Wohnungsmarkt, denn die Anreize für die Wohnungswirtschaft zu bauen und neuen Wohnraum zu schaffen, oder alten Wohnraum attraktiv zu halten, sinken immer weiter. Und eben diese Weitsicht würde ich mir vom BGH wünschen. Mal ganz davon abgesehen, dass es für den durchschnittlichen Immobilieneigentümer kaum mehr möglich ist, seine Wohnung richtig zu verwalten.

Aber das Urteil hat noch einen anderen Aspekt. Der Senat verweist – zum wiederholten Male – darauf, dass das was „renoviert“ bedeutet oder dass das was als „Ausgleich“ gezahlt wird, im Einzelfall zu entscheiden ist. Er gibt aber keine klaren Leitlinien vor. Damit wissen wir einfach nicht mehr, was richtig ist. Wie sollen wir denn unsere Kunden korrekt beraten? Wie können wir vernünftig Haftung für unsere Aussagen übernehmen, wenn wir immer sagen müssen: „Na ja, so sehen wir es, aber was wirklich richtig ist, sagt Ihnen dann der Richter“. So kann es doch nicht weitergehen. Wir brauchen klare Leitplanken, wenn wir neuen Wohnraum schaffen und alten richtig verwalten und bewirtschaften wollen. Es geht um Rechtsfrieden und nicht darum, ständig neue „Einzelfallbeurteilungen“ zu schaffen.

Ich kann momentan nur sagen: „So wie die Wohnungen heute zurückkommen, sind sie nicht ‘renoviert‘. Aber was genau renoviert bedeutet, entscheidet der Richter. Also machen Sie am besten gleich alles neu.“ Dafür werde ich von meinen Kunden vermutlich keinen Beifall ernten und auch rechtlich begeben wir uns so wieder aufs Glatteis.

 Beispiel 2: „Abweichende“ Wohnfläche

Auch hier ging es um einen Fall aus Berlin: Es wurde ein Einfamilienhaus mit rund 250 m² Fläche für nur 180 m² vermietet. Mal ganz ehrlich: Wer hat das denn übersehen können?

Bislang hat der BGH immer einen Spielraum gelassen, die Wohnfläche im Vertrag brauchte nicht exakt mit der später im Streitfall ermittelten Wohnfläche übereinstimmen. Das hatte einen guten Grund: Es ist inzwischen durch zig Praxistests erwiesen, dass es die „richtige“ Wohnfläche nicht gibt. Dies liegt an den Spielräumen, die die zu Grunde liegenden Berechnungsnormen den Sachverständigen geben. Und es liegt auch daran, dass eigentlich niemand so richtig weiß, welche Berechnungsvorschrift er eigentlich anwenden soll. Das klingt unlogisch? Ist es aber nicht!

Nehmen wir ein Mietverhältnis, das 1990 abgeschlossen wurde. Die heute gültige Wohnflächen-Berechnungsverordnung stammt aus dem Jahr 2004. Die kannte man damals bei Vertragsabschluss noch gar nicht. Also wonach wird denn nun gerechnet? Damals galt entweder die DIN 276 oder die DIN 283 oder auch die 2. Berechnungsverordnung. Alle vier genannten Normen widersprechen sich im Detail und geben erheblichen Ermessenspielraum, z.B. beim Ansatz der Balkone oder der Frage des 3%-Abzugs für Putz. Der bisherige Grundsatz eines Ermessenspielraums war also völlig sachgerecht. Nun ist dieser aber vom BGH kassiert. Hinweise, wie denn nun richtig zu rechnen ist, gibt der BGH aber nicht. Er verweist – wenig überraschend – auf den Einzelfall. Sollen wir jetzt in jedem Fall die Wohnfläche ermitteln lassen? Auch bei Streit über Verteilungsschlüssel in Betriebskostenabrechnungen? Und wenn ja, wäre es ja gut zu wissen, wie gerechnet werden soll, denn ansonsten machen Vermieter und Mieter je ein Gutachten und der Tatrichter in der ersten Instanz auch gleich noch eines. Ganz ehrlich: Das ist doch reine Arbeitsbeschaffung und vollkommen unnötig. Der Hang zu Scheingenauigkeit treibt hier wieder seine Blüten. Das alles kostet unendlich viel Zeit, Geld und Mühe, die wir der Volkswirtschaft ersparen sollten. Vom BGH würde ich mir wünschen, dass er solche Dinge sieht und entsprechende Leitlinien vorgibt, damit endlich Rechtsfrieden herrscht. Ach ja: Und bitte bei einer Meinung bleiben! Dann wird es auch für die Praxis einfacher, richtig zu beraten und für alle gerechter.

Wie sehen die Lösungsansätze für das Dilemma aus?

Der BGH wird – richtigerweise – einwenden, dass er nicht der Gesetzgeber ist und nur so gut sein kann, wie die Gesetze nach denen er urteilen soll. Er kann nicht die handwerklichen Fehler der Administration beseitigen. Also kommt es zwangsläufig zu den für die Praxis schwierigen Einzelfallentscheidungen.

Die Immobilienwirtschaft sieht sich vermutlich als „Buhmann“, aber das ist auch nicht so ganz richtig. Der zugegeben marginale Einfluss der Lobby hat dann doch dazu geführt, dass eben bestimmte Ausnahmetatbestände in Gesetze eingeführt wurden. Auch die Industrie trägt ihren Teil dazu bei. Und nicht zuletzt müssen sich auch die privaten Vermieter den Vorwurf gefallen lassen, dass sie immer wieder offensichtlich unsinnige Dinge von Mietern verlangen und so die Situation nicht besser machen.

Die Politik hat momentan das Problem, dass die großen Parteien um die Wähler der großen Städte kämpfen. Das sind Mieterhochburgen. Und Herr Maaß und Co. machen dort Wahlkampf. Leider auf Kosten des größten volkswirtschaftlichen Gutes, das wir haben. Die Folgen sind Wiener bzw. Züricher Verhältnisse. In Wien dominiert aufgrund der Mietpreisbremse der staatliche Wohnungsbau allein den Vermietungsmarkt – mit schlimmen Folgen für die Stadt und die Bewohner. Wien dreht gerade wieder zurück, was die Deutschen erst einführen. Ähnlich ist es in Zürich. Der Wohnungsbestand an Mietwohnungen wird ganz offen als „Untervermietungsmarkt“ bezeichnet. Günstige Mietwohnungen gibt es nur durch Beziehungen oder ganz offene Bestechung. Die freien Eigentumswohnungen in ordentlichen Häusern und guten Lagen haben mit die höchsten Preise in Europa. All dies sind ganz einfach nachvollziehbare und vor allem nachprüfbare Auswirkungen staatlicher Eingriffe. Stellt sich schon die Frage, wie machthungrig man eigentlich sein kann.

Das dabei noch übersehen wird, dass sich mehr als 80% des deutschen Wohnungsbestandes in Regionen befindet, die eher als ländlich einzustufen sind und eben nicht in den sieben großen Städten, sollte man sich fragen: Was tut die Politik eigentlich für das flache Land? Oder für das Ruhrgebiet? Wie sehen denn ihre zukunftsgewandten globalen volkswirtschaftlichen Konzepte angesichts der demographischen Entwicklung aus? Es können doch nicht ernsthaft 80% der Bevölkerung in 20% aller Wohnungen an nur sieben Standorten in der Republik leben sollen. Wie können Gesetze aussehen, die aus sich heraus verständlich und praktikabel sind?

Meine Weihnachtswünsche:

1) Ich wünsche mir eine schnelle Initiative im Bündnis für Wohnraum, dass sich die Mietgesetze vornimmt. Die Schönheitsreparaturen sollen per Gesetz durch die Mieter getragen werden. Dazu wünsche ich mir eine Definition welche Bauteile der Mieter dabei zu „reparieren“ hat. Das ganze bitte mit einem starren Fristenplan. Vielleicht im Einzelfall ungerecht, aber dann wäre endlich Ruhe.

2) Ich wünsche mir ein Gesetz, dass alle Berechnungsverordnungen aufhebt, ab einem bestimmten Datum für die Zukunft gilt und dass keine Ermessensentscheidungen beim Aufmaß zulässt. Für alle früheren Verträge soll basierend auf den neuen Berechnungen ein Spielraum von +/- 7% gelten.

3) Ich wünsche mir einen Hinweis, dass Mietverträge, die mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden, nicht früher zurückgegeben werden dürfen.

4) Ich wünsche mir eine klare Regelung, welche konkreten Maßnahmen für die Berechnung einer zulässigen Überschreitung der Kappungsgrenze der Mietpreisbremse hinzugezogen werden dürfen oder alternativ einen eindeutigen Wert je m² Wohnfläche an Baukosten, bei denen die Überschreitung genehmigt ist.

5) Ich wünsche mir eine Öffnung der Datenbanken der Gutachterausschüsse und die Einrichtung eines zentralen Mietwertkatasters, aus denen sich die Neuvertragsmiete und die ortsübliche Vergleichsmiete im Bestand erkennen lassen. Verbraucherschutz und Transparenz vor Datenschutz und Herrschaftswissen!

6) Ich wünsche mir das ausdrückliche Verbot einer Untervermietung jeder Wohnung im Ganzen.

7) Ich wünsche mir einen schnellen, massiven Ausbau der Infrastruktur mit öffentlichen Verkehrsmitteln zwischen den Big Seven und den umliegenden Regionen.

8) Ich wünsche mir die Aufhebung von Mietpreisbremse und Kappungsgrenze.

9) Ich wünsche mir die verstärkte Subjektförderung von Haushalten, die sich die ortsübliche Vergleichsmiete nicht leisten können und verbilligtes Bauland sowie die Aufhebung von Mitspracherechten bei innerstädtischen Bauvorhaben, die Mietwohnungsbau mit Drittelmix zum Inhalt haben.

10) Ich wünsche mir eine neue BauNVO, die die Mischung von Wohnen und Arbeiten in der Fläche und im Gebäude erleichtert.

11) Ich wünsche mir einen Asylanten bzw. Migranten in jedem Haus anstatt sinnlose „Lager“, die die sozialen Probleme nur verschärfen und keinen Beitrag zur Integration liefern.

12) Ich wünsche allen Politikern Weitsicht und Durchhaltevermögen, um unser aller Wohlstand zu erhalten, neuen attraktiven Wohnraum zu schaffen, diesen vernünftig sozial zu durchmischen und nachhaltig für künftige Generationen zu gestalten.

Ruhe und Verlässlichkeit sind die Zauberworte, nicht Aktionismus und Bevormundung. Eine Immobilie steht länger als eine Legislaturperiode.

Mit den besten weihnachtlichen Grüßen,

Ihr,

Oliver Moll