Montag, 10.01.11 | Chancen in angespannten Wohnungsmärkten.

Aktuell berichten die Hamburger Medien über absichtlich leer stehende Wohnungen, Massenbesichtigungen sowie steigende Mieten. Auch die damit direkt im Zusammenhang stehenden, steigenden Preise für Mehrfamilienhäuser sind dadurch ein Thema. Richtig ist, dass in Hamburg zu wenige Wohnungen entstehen. Es fehlen derzeit jährlich rund 6.000 Wohnungen für einen ausgewogenen Markt. Fraglich ist aber, ob dies der tatsächliche Grund für die beschriebenen Erscheinungen ist.

Verschiedentlich werden Stimmen laut, die darauf hinweisen, dass die „falschen“ Wohnungen fehlen, es in Hamburg grundsätzlich genügend freien Wohnraum gibt und sich nach den demographischen Zahlen die derzeitige „Delle“ in spätestens 10 Jahren wieder ausgleichen wird. Würden also die geforderten Wohnungen geschaffen, dann könnte diese Bauentwicklung durchaus zu massiven Leerständen in 10-15 Jahren führen. Ebenfalls ein ungutes Szenario.

Die widersprüchlichen Prognosen über die demographische Entwicklung können wir nicht kommentieren. Aber wir verwalten und vermieten laufend Wohnungen in Hamburg. Daher können wir über unsere eigenen Erfahrungen im Markt berichten. Danach lässt sich feststellen, dass der Markt auch von einem eingegrenzten Suchraster der Interessenten geprägt ist. Stellen wir derzeit Angebote in gesuchten Stadtteilen wie Sternschanze, Altona-Nord, Eimsbüttel oder Ottensen im Internet ein, registrieren wir z.B. bei einer gebrauchten 3 Zimmer-Wohnung rund 4.500 bis 6.000 Klicks innerhalb von 30 Minuten. Nach circa 45 Minuten haben wir so knapp 50 Anfragen generiert, die abgearbeitet werden können. Deshalb nehmen wir das Angebot entsprechend schnell wieder vom Markt und können als Ergebnis rund 20 Interessenten zu einem individuellen Besichtigungstermin einladen. Inserieren wir jedoch eher unbeliebte oder unbekannte Stadtteile wie Bramfeld, Groß-Borstel, Borgfelde, Hamm, Horn oder Eilbek kann es 4 bis 6 Tage dauern, um Klicks in einer ähnlichen Größenordnung zu generieren – wenn überhaupt. Hier sind wir froh, wenn wir im Nachgang 8 bis 10 Interessenten zu einer Besichtigung einladen können. Dies wohl gemerkt zu günstigeren Mieten bei vergleichbarer Ausstattung. Während wir in den erstgenannten Stadtteilen gebrauchte Wohnungen mit modernerer Ausstattung für 10,00 €/m² bis 12,50 €/m² netto vermieten, erreichen wir in den letztgenannten Stadtteilen in der Spitze 8,50 €/m² netto. Da wir keine Massenbesichtigungen durchführen, kommt es zudem durchaus vor, dass wir mehrfach besichtigen müssen. Denn nicht immer sind auch die geeigneten Kandidaten bei den Besichtigungsinteressenten dabei oder die Anforderungen der Interessenten werden durch das Angebot nicht befriedigt, so dass Anmietungsangebote abgelehnt werden. Ein weiterer Aspekt: Wir registrieren durchaus, dass auch in den nachgefragten Stadtteilen Wohnungen im Erdgeschoss, mit alten Bädern, mit Nachtspeichern oder ohne Abstellräume zwar zunächst Nachfrage finden, dann jedoch schlicht kein geeigneter Kandidat das finale Mietangebot annimmt. Die Interessenten sind folglich „wählerisch“. Und sie können sich dies angesichts ihrer relativ hohen Nettoeinkommen (4.000 € sind eher die Regel denn die Ausnahme je Haushalt) auch leisten. Erhöhtes Anspruchsdenken bei den Interessenten ist jedoch auch in den weniger nachgefragten Stadtteilen festzustellen. Erst kürzlich wurde eine Mitarbeiterin bei dem Versuch der Vermietung einer unrenovierten 4 Zimmer Wohnung in Bramfeld angesprochen, wie sie „sowas“ ernsthaft anbieten könne. Die betreffende Wohnung ist courtagefrei für 6,50 €/m² netto im Markt. Die Wohnung ist unrenoviert, da die jetzige Mieterin noch dabei ist, den Auszug zu organisieren und die durch sie eingebrachten „Verschönerungen“ noch nicht entfernt hat.

Unser Fazit: Marktenge besteht nur in einem ganz bestimmten Segment: 2,5 bis 4 Zimmer, westlich der Alster, Altbau ab 1. Obergeschoss mit Balkon und trockenem Keller, modernisiert und frisch gestrichen.

Wer als Vermieter nicht das richtige Produkt liefert oder wessen Immobilie im „falschen“ Stadtteil liegt, darf sich trotz der Medienberichterstattung nicht „im sicheren Hafen“ einer sofortigen Anschlussvermietung wähnen. Vielmehr ist jetzt der richtige Zeitpunkt in die älteren, gebrauchten Wohnungen zu investieren und die Standards anzuheben, damit die Immobilien zukunftsfähig werden und dann auch in einer zu erwartenden Marktdelle Absatz finden können. Das Investment in solche Wohnungen macht unter dem Gesichtspunkt der Kapitalverzinsung sehr viel Sinn, so lange Festgelder mit weniger als 3 Prozent verzinst werden. Auch darf nicht vergessen werden, dass sich der Wert eines Zinshauses nach der erzielten Nettomieteinnahme richtet (derzeit im Schnitt zwischen dem 14- und 17-fachen der Jahresnettomiete). Damit rechnet sich jeder investierte Euro, sofern er zu einer Steigerung der Nettomiete führt, doppelt für Grundeigentümer. Einmal im Hinblick auf die bessere Verzinsung durch die Miete (5 bis 7 Prozent) und zum Anderen durch die Wertsteigerung.

Für Mieter ist die jetzige Marktlage die Chance sich ein sehr gutes Preis-/Leistungsverhältnis einzukaufen, sofern eine stadtteilbezogene Umorientierung stattfindet. Da die Grundeigentümer in den heute benachteiligten Lagen eher zu Investitionen neigen, bekommt man in Borgfelde einfach mehr für sein Geld als in Altona-Nord.

Bleibt die Frage, wie sich die heute benachteiligten Stadtteile zukünftig entwickeln und warum sich die kapitalstarken Suchenden nur auf wenige Stadtteile beschränken. Auch hier geben uns die Auskünfte der Interessenten bei Vermietungen viele Hinweise. Die westlichen Bereiche der Stadt sind nachgefragt, weil es hier einen interessanten, urbanen und kulturellen Mix, bei gelungener Integration und für Hamburger Verhältnisse sehr gute Schulen gibt. Dies wird den östlich der Alster gelegenen Stadtteilen nach wie vor abgesprochen. Jedoch stimmt der alte Hamburger Satz „Barmbek, Hamm und Horn schuf der liebe Gott im Zorn“ schon lange nicht mehr. Es gilt für Suchende die grünen Ecken und das eher versteckte Kneipen- und Kulturleben in Horn, Eilbek, Borgfelde, Groß-Borstel sowie Hamm für sich zu entdecken. Dort findet man eine überraschende Vielfalt, sehr gut ausgestattete und geförderte Schulen in einem angenehm durchmischten, normalen, nachbarschaftlichen Umfeld oder gar fast dörfliche Strukturen mit Mittagspause in den Läden. Wer hier einen Spaziergang macht und dann gezielt nach modernisierten Wohnungen sucht, wird vernünftige Angebote und für sich finanzielle Freiräume entdecken, die in den engen Trendlagen eher nicht zu erwarten sind.

Bleibt die Frage, wie sich die östlichen Stadtteile nachhaltig „aufwerten“ lassen und wie sie es schaffen können, Akzeptanz im Markt zu finden. Neben einer Antwort auf die Frage der Verkehrserschließung muss eine Struktur geschaffen werden, die eine sozial ausgewogene Bevölkerungsdurchmischung unterstützt. Wir brauchen funktionierende Schulen mit einem verträglichen Integrationsanteil, Cafés, Kulturzentren, Freiflächen für kreative Betätigung, funktionierende Busse, Sauberkeit und Licht.

Die derzeitige Markt- und Konjunkturlage bietet unserer Meinung nach jeder Seite Chancen, soweit die Parteien über den Tellerrand hinaus sehen. Grundeigentümer haben heute die Chance, durch gezielte Investition ihre Rendite nachhaltig zu verbessern. Dabei können sie darauf hoffen, eine deutlich bonitätsstärkere Klientel anzuziehen als in der Vergangenheit. So werden die Investitionen zukunftssicher und Immobilienwerte steigen. Und Mieter haben heute noch die Chance in den kommenden neuen Trendvierteln Barmbek, Hamm-Nord, Eilbek und Borgfelde frisch sanierte Wohnungen zu günstigen Preisen anzumieten.

Oliver Moll