Käufer zahlen aberwitzige Preise
Der Immobilienboom erreicht seinen Zenit. Zinshausexperte Oliver Moll erwartet demnächst bröckelnde Preise.
Bis vor kurzem sah es so aus, als gehe auf dem deutschen Immobilienmarkt so ziemlich alles. Selbst 20.000 Euro pro Quadratmeter für ein Penthouse in München erschienen plötzlich normal. Die millionenschweren Immobiliengeschäfte des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn zeigen, wie viel Geld private Eigentümer derzeit umsetzen. Durch den Niedrigzins ist der Anlagedruck enorm. Betongold ist für viele Anleger die letzte Zuflucht.
Es mehren sich jedoch die Anzeichen für nachgebende Preise am Immobilienmarkt. Selbst in der Boomstadt München knicken die Mieten zumindest in einfachen Lagen ein, bestätigte die Frankfurter Immobilienberatung Wuest Partner. Allein der Name München als Standort einer Immobilie rechtfertige nicht mehr jeden Preis. Wenn die Mieten sinken, dann folgen erfahrungsgemäß auch die Kaufpreise mit einiger Verzögerung.
Längst sind die Indizien für lokale Blasen am Immobilienmarkt klar zu sehen. Ablesbar ist das an der wachsenden Kluft zwischen Mieten und Kaufpreisen. Das Berliner Empirica Institut registriert in 11 der 12 größten Städte Deutschlands eine hohe Blasengefahr. Empirica misst mit dem Blasen-Index das Risiko von Übertreibungen und anschließenden Rückschlägen am deutschen Immobilienmarkt.
Viele Selbstständige und Freiberufler kaufen sich vermietete Immobilien wie Zinshäuser, um ihre Altersvorsorge zu sichern. Denn anders als Arbeitnehmer haben sie in der Regel nur eine sehr geringe oder gar keine gesetzliche Rente zu erwarten. Auch fehlt ihnen eine zusätzliche Betriebsrente. Umso wichtiger sind für sie laufende Mieteinnahmen, um den Ruhestand zu finanzieren.
Allerdings wird es für diese Gruppe immer schwieriger, sich zu bezahlbaren Preisen am Zinshausmarkt einzukaufen. In Großstädten wie Hamburg zahlen die Käufer von Mietshäusern inzwischen mehr als das 40-fache der Jahresnettokaltmiete. Das reicht gerade mal für Renditen von gut zwei Prozent – vor Steuern. Zinshäuser in München kosten sogar bis zum 55-fachen. Damit rutscht die Rendite unter zwei Prozent. Laut Oliver Moll, einem erfahrenen Zinshausprofi aus Hamburg, müssten es mindestens vier Prozent Rendite sein, damit bei der Investition Risiko und Ertrag in einem angemessenen Verhältnis stehen.
Moll ist Makler und Hausverwalter in Hamburg. Er kennt den Zinshausmarkt wie kein zweiter. Aber selbst ein Profi wie er hat eine solche Endzeiteuphorie wie jetzt kaum erlebt – trotz Corona. Im Interview mit der WirtschaftsWoche erklärt er die Chancen und Risiken am Zinshausmarkt für die Zeit nach der Pandemie.
/// WirtschaftsWoche: Herr Moll, im Lockdown haben Sie im Zinshausgeschäft doch sicher weniger zu tun als in normalen Zeiten. //.
/// Oliver Moll: //.
Genau das Gegenteil ist der Fall. Wenn ich nur das kleinste Signal sende, dass eine Immobilie zu verkaufen wäre, dann steht das Telefon nicht mehr still. Das ist regelrecht eine Hysterie. Die Interessenten sind bereit, auch aberwitzige Preise zu zahlen. Rendite lässt sich mit solchen Zinshäusern kaum noch machen.
/// Geht es mit den Preisen also weiter steil bergauf? //.
Nein, nicht mehr. Wegen der Mietpreisbremse und weiterer Eingriffe in den Immobilienmarkt haben viele Profis den Käufermarkt verlassen. Jetzt kaufen Anleger, die unbedingt noch beim Immobilienboom dabei sein wollen. Auch die Banken bremsen inzwischen. Sie wollen Deals mit Häusern in zweit- oder drittklassiger Lage nicht mehr so ohne weiteres finanzieren. Kaufwillige haben daher mehr Probleme, ihre Finanzierung zu stemmen.
/// Also müssen wir demnächst mit sinkenden Preisen am Zinshausmarkt rechnen? //.
In bestimmten Teilmärkten schon, beispielsweise bei Miethäusern in Stadtteillagen, die einen Gewerbeanteil mit Leerstand haben. Noch sinken die Preise nicht, aber die Indizien dafür mehren sich.
/// Wenn ich trotz hoher Preise ein Zinshaus kaufe, wie schaffe ich es, dass sich meine Investition noch rentiert? //.
Bei Mietrenditen von weniger als zwei Prozent wird sich die Investition erst für ihre Erben auszahlen. Es sei denn, sie verkaufen die Immobilie mit Gewinn, beispielsweise 20 Jahre nachdem sie sie erworben haben. Anders kommen sie nicht auf eine Rendite von mehr als vier Prozent pro Jahr, die dem Risiko einer vermieteten Immobilie angemessen wäre.
/// Zinshauseigentümer, die nicht verkaufen wollen, kämpfen häufig mit Leerstand in ihrem Gewerbeanteil. Wäre der Umbau von Ladenlokalen in Wohnraum eine Lösung? //.
Ich bin skeptisch angesichts der Mietpreisbremse und weiterer Staatseingriffe. Wer will in so einem Umfeld noch Wohnungen vermieten? Vermieter werden daher bis zuletzt versuchen, einen Gewerbemieter zu finden. Der Leerstand muss ihnen schon sehr weh tun, dass sie einen Umbau in Wohnungen angehen.
/// Einige Projektentwickler gehen mit der Idee hausieren, in leer stehenden Ladenlokalen Coworking-Flächen zu schaffen. //.
Das mag vielleicht im Hamburger Schanzenviertel oder im Prenzlauer Berg in Berlin funktionieren, wo die Latte-Macchiato-Hipster arbeiten. In normalen Stadtteillagen dagegen werden sie hierfür kaum Mieter finden.
/// Was schlagen Sie stattdessen vor? //.
Kindertagesstätten beispielsweise. Das sind verlässliche Mieter, weil die öffentliche Hand finanziell mit im Boot ist. Zudem laufen die Mietverträge über einen langen Zeitraum. Für den Vermieter sind das also gut kalkulierbare Einnahmen.
/// Sind Ladenlokale in einem vermieteten Wohnhaus grundsätzlich ein Malus? //.
Wenn der Gewerbemieter nach einer schwierigen Phase mit Mietstundungen bewiesen hat, dass sein Geschäftsmodell weiter funktioniert, dann dreht sich der Spieß um. Das Ladenlokal ist dann ein Verkaufsargument, weil es höhere Mieten abwirft als Mietwohnungen.
Gerth, Martin
Das vollständige Interview mit weiteren Hinweisen finden Sie hier.